Region Weser-Elbe

„B 74 neu“ nicht mehr zeitgemäß!

BUND: Klimawandel und Artenschwund erfordern eine Neubewertung des Bauvorhabens

Presseerklärung vom 02.10.2019

„B 74 neu“ nicht mehr zeitgemäß!


BUND: Klimawandel und Artenschwund erfordern eine Neubewertung des Bauvorhabens

Anlässlich des aktuell wieder angelaufenen Verfahrens zum Neubau eines Trassenabschnitts der Bundesstraße 74 als Ortsumgehung von Ritterhude durch die Hammeniederung erneuert der BUND seine Kritik an diesem Vorhaben. Insbesondere angesichts des Klimawandels sei es absolut unverständlich, dass der Neubau einer Bundesstraße vorangetrieben werde, der zu deutlich mehr Verkehr und CO2-Emmissionen führen würde, so der Umweltverband. Der BUND fordert, das Verfahren umgehend einzustellen und generell ein Moratorium für alle Straßenneubauten zu erlassen.

Straßenneubau befördert Klimawandel

„Als Antwort auf den Klimawandel brauchen wir dringend eine verkehrspolitische Wende. Wir müssen den Autoverkehr reduzieren, das geht nicht mit dem Bau neuer Straßen“, fordert Hans-Gerhard Kulp, Vorsitzender der BUND Kreisgruppe Osterholz. "Die Wiederaufnahme des Verfahrens zum Bau der Bundesstraße 74 durch die Hammeniederung zwischen Osterholz-Scharmbeck und Ritterhude ist nicht mehr zeitgemäß und muss gestoppt werden." Denn die Folgen des Klimawandels würden auch in der Region immer konkreter spürbar. „Maßnahmen zur Verminderung des CO2-Ausstoßes gehören inzwischen zu den politischen Top-Themen und stehen bei fast allen Parteien auf der Agenda“, kritisiert Kulp. „Aber im Alltag führt das immer noch nicht zu einer Verhaltensänderung von Planern und Behörden.“ Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen ergänzt: „Der Bau einer neuen Straße in einem Abstand von nur wenigen hundert Metern parallel zu einer bestehenden Gleistrasse der Bundesbahn ist an Ignoranz kaum noch zu überbieten. Die Verlagerung von Pendlerverkehren von der Straße auf die Schiene ist eine zentrale Handlung für den Klimaschutz. Andere Formen von Mobilität wie der Radverkehr und der ÖPNV müssen attraktiver und leistungsfähiger gemacht werden.“

Die vorgelegte Planung bis zur Wümme/Landesgrenze ist unvollständig, denn es fehlt die Fortführung in Bremen auf der Ritterhuder Heerstraße bis zur A 27. Die Ritterhuder Heerstraße ist im jetzigen Zustand gar nicht in der Lage ein höheres Verkehrsaufkommen zu bewältigen und müsste ebenfalls ausgebaut werden. Diese Kosten und damit einhergehenden Beeinträchtigungen des EU-Vogelschutzgebietes „Blockland“ fehlen bisher in der Kosten/Nutzenbetrachtung, obwohl sie zwingend einbezogen werden müssten. 

Hochwassergefahr steigt

Starkniederschlagsereignisse und Hochwasser haben im Vergleich zu früher zugenommen. In Zukunft wird sich dies noch drastisch verschärfen. Der neue Trassenabschnitt der Bundesstraße wird mindestens 1,50 m über der Geländeoberkante liegen und Teile des Überschwemmungsgebiets der Hamme regelrecht abklemmen. Kulp: „Diese Fläche geht als Rückhaltungsraum für Hochwasser verloren und schränkt auch den Abfluss des Oberflächenwassers ein, das von Ritterhude Richtung Hamme abfließt.“ Außerdem würde der bisher weite Blick in die Hammeniederung durch die markante Erhebung der Trasse auf ganzer Länge der Straße vollständig verstellt sein. „Mit dieser Straße gehören erholsame Spaziergänge in der Ritterhuder Hammeniederung der Vergangenheit an“, meint Rode. „Das muss allen Beteiligten klar sein.“

Moorböden werden zerstört

Die Trasse der B74neu soll auf einer Länge von rund vier Kilometern über Moorböden verlaufen. Die Prognosen im Zuge des Linienbestimmungsverfahrens gehen von einem Flächenbedarf von mindestens 20 ha aus. „Unsere Moorböden müssen wir aus Klimaschutzgründen aber unbedingt erhalten. Die Torfböden sind ein riesiges Kohlenstoffreservoir“, betont Rode und warnt: „Durch den Bau der Trasse wird der im Torf gebundene Kohlenstoff in großem Umfang als COin die Atmosphäre frei gesetzt. Die Zerstörung dieser Böden trägt damit zusätzlich zum Klimawandel bei!“ Moorböden metertief auskoffern, das Überschwemmungsgebiet mit der Trasse `abzuklemmen´ und mindestens drei nach Europarecht geschützte Gebiete zu beschädigen, hält der BUND nicht für akzeptabel.

Artensterben wird beschleunigt

Darüber hinaus wirken sich Bau und Betrieb der neuen Bundestraße auf die seltenen und gefährdeten Tierarten des Niederungsgebiets negativ aus. "Artenrückgang und Biodiversitätsverlust spürt mittlerweile jeder vor seiner Haustür", betonen die BUND-Vertreter. Niedersachsen habe eigens eine „Niedersächsische Strategie zum Arten- und Biotopschutz“ entworfen. Zu den Tierarten, für die ein „besonderer Handlungsbedarf“ besteht, gehören z.B. Fischotter, Uferschnepfe, Kiebitz und Rotschenkel. Biologe Kulp: „Eben diese Arten sollen in EU-weit bedeutsamen Schutzgebieten wie der Hammeniederung ganz besonders geschützt und ihre Lebensräume verbessert werden. Schon jetzt ist klar, dass ehemalige und potenzielle Brutplätze der streng geschützten Vogelarten durch den Trassenbau verloren gehen. Für den Fischotter ist die Straße durch das Niederungsgebiet eine Todesfalle." Totfunde aus den letzten Jahren auf der Niederender Straße und bei Tietjens Hütte sind traurige Beweise dafür.

Dass sich der geplante Bau mit EU-Recht vereinbaren lässt, daran zweifeln die Experten. „Ein derartiges Projekt ist nach den heutigen Erkenntnissen regelrecht aus der Zeit gefallen“, resümiert Martin Rode. „Hier hat sich eine 30 Jahre alte Planung verselbstständigt, ohne sie vor den Erfordernissen einer veränderten Umweltsituation zu überprüfen.“ Der BUND fordert die Niedersächsische Straßenbaubehörde auf, Klimawandel und Artenrückgang nicht weiter zu ignorieren und die Planung der Trasse durch die Hammeniederung umgehend zu stoppen. Angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel wäre jetzt ein Moratorium für alle Straßenneubauten dringend erforderlich, so der Umweltverband.

Infos zum Verkehr in der Region gibt es unter www.BUND-Bremen.net.

Bei Rückfragen:

Dr. Hans-Gerhard Kulp, Vorsitzender BUND Osterholz, Tel.: 0151 22429351

Martin Rode, Geschäftsführer BUND Bremen, Tel.: 0171 / 3354500

Verhinderung der B74neu durch die Hammeniederung

Keine Straße durch das EU-Vogelschutzgebiet. Die Umgehungsstraßenplanung für die B 74 ist in den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden. Die BUND-Kreisgruppe hat im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung dagegen Stellung bezogen. Der BUND unterstützt eine Bürgerinitiative in Ritterhude, die diesen extrem landschaftsfressenden Straßenbau verhindern will. Zur Unterstützung wurde ein Vorstandsbeschluss gefasst, dass der BUND aus seinen Rücklagen 5.000 € in einen Klagefond verschiebt, um evtl. auf dem Rechtsweg kurzfristig handlungsfähig zu sein.