Region Weser-Elbe

Deutschland nicht auf Klima-Kurs

24. Januar 2023

BUND verklagt Bundesregierung auf wirksamen Klimaschutz im Verkehrs- und Gebäudebereich / Bremer Senat muss jetzt Druck auf Bundesregierung ausüben und selbst Klimaschutz vorantreiben

Kein Beitrag zum Klimaschutz: Der Verkehrsbreich ist bisher seinen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emmissionen schuldig geblieben.  (Gerhard G. / Pixabay)

Der BUND verklagt die Bundesregierung wegen Nichteinhaltung der im Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) festgeschriebenen Treibhausgas-Sektorziele für Verkehr und Gebäude*. Der Umweltverband verlangt in seiner beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereichten Klage den Beschluss von Sofortprogrammen, wie sie das KSG vorsieht (Paragraf 8). Diese Sofortprogramme müssen Maßnahmen zur Einhaltung der jährlichen Sektor-Ziele beinhalten. Eine vorherige Aufforderung des Verbandes, ein wirksames Sofortprogramm vorzulegen, ließ die Bundesregierung ungenutzt verstreichen. Der BUND Landesverband Bremen fordert zudem den Bremer Senat auf, sich jetzt gegenüber der Bundesregierung für effektiven Klimaschutz einzusetzen und selbst endlich erheblich engagierter als bisher Klimaschutz-Maßnahmen zu ergreifen.

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Wir können nicht weiter zusehen, wie Teile der Bundesregierung die eigenen Klimaschutzziele ignorieren und wirksame Maßnahmen bei Verkehr und Gebäuden verweigern. Uns rennt die Zeit davon. Scholz, Wissing, Geywitz und Habeck schaffen es nicht, das Land auf Klima-Kurs zu bringen und brechen damit das deutsche Klimaschutzgesetz. Es braucht jetzt die politische Entscheidung, wirksame Maßnahmen für den Klimaschutz zu schaffen. Wenn die Regierung von Olaf Scholz dazu politisch nicht fähig oder willens ist, muss sie gerichtlich dazu verpflichtet werden.“ Mit Blick auf die aktuellen Debatten zur Beschleunigung von Infrastrukturprojekten fügt Bandt an: „Es wäre ein Skandal, wenn die Bundesregierung mit dem beschleunigten Bau klimaschädlicher Autobahnen weiter Öl ins Feuer gießt. Die Emissionen müssen runter, nicht rauf.“

Martin Rode, BUND-Landesgeschäftsführer: „Wir fordern den Bremer Senat auf, bei der Bundesregierung jetzt sofort Druck zu machen, damit wir uns auf Bundesebene endlich auf den 1,5-Grad-Pfad im Klimaschutz begeben. Wir brauchen aber nicht nur bundesweit effektive Klimaschutz-Maßnahmen und dafür die entsprechenden Rahmenbedingungen, sondern auch die Landesebene, sprich der Bremer Senat, muss seine Hausaufgaben im Klimaschutz machen. Hierfür liefert der Abschlussbericht der Klima-Enquete-Kommission genügend Vorschläge, die jetzt zeitnah umgesetzt werden müssen.“

Laut Klimaschutzgesetz muss die Bundesrepublik bis 2030 ihre Emissionen um 65 Prozent reduzieren. Überschreiten Sektoren die vorgegebenen Jahresemissionsmengen, muss die Regierung laut eigenem Bundes-Klimaschutzgesetz schnellstmöglich Sofortprogramme beschließen. Bisher hat die Ampelkoalition keine derartigen Beschlüsse gefasst, obwohl sie dies wegen zu hoher Emissionen im Verkehrs- und Gebäudesektor in 2021 hätte tun müssen. Sie hat noch nicht einmal wirksame Sofortprogrammentwürfe mit hinreichenden Maßnahmen vorgelegt, um die Ziele zu erreichen. Das hat der Expert*innenrat für Klimafragen der Bundesregierung 2022 bestätigt.

Dieses Versagen ist umso dramatischer, weil selbst die Ziele des Klimaschutzgesetzes nicht ausreichen, um die völkerrechtlich verbindliche 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens einzuhalten. Auch den klimaverfassungsrechtlichen Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht auf eine vom BUND mit initiierte Verfassungsbeschwerde hin 2021 statuiert hatte, läuft der derzeitige Kurs der Bundesregierung zuwider. „Der Kanzler ist jetzt gefordert, ein Machtwort zu sprechen, um seinem im Wahlkampf selbst verliehenen Titel ‘Klimakanzler‘ gerecht zu werden“, so Bandt. 

Die Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wird rechtlich vertreten von der langjährig im Umweltrecht tätigen Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß, ihrer Kollegin Lisa Hörtzsch, jeweils Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbH, und Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt aus Leipzig. Heß und Ekardt haben bereits die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht gemeinsam rechtlich vertreten. Rechtsanwältin Heß erklärt zur Klage: „Aus unserer Sicht sind die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes eindeutig. Es steht nicht im Belieben der Bundesregierung, ob sie bei Überschreitungen von Jahresemissionsmengen durch einzelne Sektoren ein Sofortprogramm aufstellt oder nicht. Sie ist hierzu ganz klar verpflichtet und diese Verpflichtung wollen wir nun durchsetzen.“

 *Im Verkehrssektor wurden die für 2021 erlaubten Emissionsmengen um 3,1 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen, im Gebäudesektor um 2,5 Millionen Tonnen überschritten. Für 2022 ist eine erneute Überschreitung zu erwarten.

Weitere Informationen

Klageschrift: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/materialien/pdfs/Klageschrift_Klimaschutz_24012023.pdf

Hintergrundpapier: https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/hintergrundpapier-klimaklage-zahlen-und-begriffsklaerung/

Audio-Kommentar des BUND-Vorsitzenden Olaf Bandt:  https://cloud.bund.net/index.php/s/8YF3kQaknMgrSMx

Hintergrund

Die jetzt eingereichte Klage nennt bewusst keine Maßnahmen für die beiden Sektoren Verkehr und Gebäude. Denn ein Gericht wird nach Einschätzung des BUND der Politik keine Maßnahmen vorschreiben wollen. Maßnahmen, mit denen die Politik wirksame Sofortprogramme aufstellen könnte, gibt es aber und sind bekannt. Der BUND schlägt beispielsweise folgende zentrale Maßnahmen für die beiden Sektoren vor.

BUND-Forderungen für ein wirksames Sofortprogramm im Verkehrssektor sind u.a.:

  • Abschaffung vom Dienstwagenprivileg und von Steuervorteilen für Dieselkraftstoff & Kerosin,
  • eine Reform der Kfz-Steuer mit zusätzlichem Bonus-Malus-System beim Kauf,
  • den Stopp des Autobahnbaus,
  • die Einführung von Pkw-Maut,
  • die Einführung des Tempolimits,
  • Mittelerhöhung für den Ausbau von öffentlichem Verkehr und Radverkehr.

BUND-Forderungen für ein wirksames Sofortprogramm im Gebäudesektor, in dem die energetische Modernisierung im Mittelpunkt eines Maßnahmenpaketes steht, u.a.:

  • flächendeckend Sanierungsfahrpläne,
  • streichen aller Ausnahmen für bestehende Nachrüstpflichten und Anheben der Anforderungen
  • verstetigen der Vorgaben zur Optimierung von Heizungsanlagen für alle Gebäude und Verbesserung der Vollzugskontrolle,
  • Vorgaben für die energetische Modernisierung, angefangen bei den Gebäuden mit der schlechtesten Effizienz,
  • 25 Milliarden Euro Fördermittel pro Jahr für klimazielkompatible energetische Modernisierungen.  

Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), beschlossen in 2019, ist das Gesetz, das für Deutschland die Ziele - nicht die genauen Maßnahmen - auf dem Weg zur Einhaltung der rechtsverbindlichen Pariser Temperaturgrenze von weit unter 2 Grad und möglichst 1,5 Grad festlegt. Die KSG-Ziele reichen für das Paris-Ziel allerdings noch nicht aus, eben so wenig wie die Klimaziele der EU - sie sind deshalb völkerrechtswidrig und nach Einschätzung des BUND auch weiterhin verfassungswidrig.

Die Nichteinhaltung des Klimaschutzgesetzes hängt aktuell juristisch vor allem am Verkehrs- und Gebäudesektor, welche in 2021 viel zu hohe Emissionen hatten und ihre Ziele für das Jahr nicht eingehalten haben. Beide Sektoren sind in der BUND Klage enthalten. Darüber hinaus ist laut der kürzlich veröffentlichten Berechnungen von Agora Energiewende davon auszugehen, dass durch die höhere Produktion von Strom aus Kohlekraftwerken der Energiesektor seine Ziele wohl nicht erreichen wird, der Industriesektor schafft seine Ziele auch nur wegen derzeit schwachen Konjunktur.

BUND-Pressestelle

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